Primärer Spontanpneumothorax (PSP)
Der primäre Spontanpneumothorax (PSP) ist eine Form des Pneumothorax (Lungenkollaps), der bei Personen auftritt, bei denen zuvor keine Lungenerkrankung diagnostiziert wurde. Dieses Fact Sheet enthält Informationen zum PSP, den damit assoziierten Symptomen sowie den Personengruppen, bei denen ein besonders großes Risiko eines PSP besteht. Des Weiteren enthält das Fact Sheet Informationen zur Diagnose PSP, den verschiedenen Therapiemöglichkeiten sowie der Wahrscheinlichkeit eines erneuten Lungenkollaps in der Zukunft.
Was ist der primäre Spontanpneumothorax (PSP)?
Unter einem Pneumothorax versteht man den Kollaps eines oder beider Lungenflügel, der durch das Eindringen von Luft in die Pleurahöhle entsteht. Als Pleurahöhle wird der Raum zwischen den Pleurablättern bezeichnet, zwei Gewebeschichten, die die Lunge umgeben bzw. den Brustkorb auskleiden. Als „primär“ wird ein Pneumothorax bezeichnet, wenn zuvor keine Lungenerkrankung bekannt war. „Spontan“ ist der Pneumothorax deshalb, weil kein Grund für sein Auftreten bekannt ist. Von einem primären Spontanpneumothorax spricht man, wenn er erstmalig auftritt und eine Lungenerkrankung zuvor nicht bekannt war.
Bei welchen Personengruppen ist die Wahrscheinlichkeit eines PSP am größten?
Die Wahrscheinlichkeit eines PSP ist bei jungen Personen (im Alter von 15 und 34 Jahren) am größten. Studien haben ebenfalls gezeigt, dass PSP besonders bei großen, schlanken Personen auftritt. Der Tabak- oder Marihuanakonsum erhöht das Risiko für einen primären Spontanpneumothorax/Lungenkollaps erheblich und auch das Risiko für eine Wiederholung dieses Lungenkollapses. Eine weitere Form des PSP ist der sogenannte katameniale Pneumothorax, der vorwiegend bei Frauen im gebärfähigen Alter auftritt. Die Symptome ähneln denen des regulären PSP, treten aber häufig zyklisch auf und werden mit dem Menstruationszyklus assoziiert. Man nimmt an, dass dieser Pneumothorax mit kleinen Mengen von Gebärmutterschleimhaut in Verbindung steht, die in den Pleuraraum eindringen.
Welches sind die Hauptsymptome des PSP?
Plötzliche Brustschmerzen sind das häufigste Symptom eines PSP. Die Schmerzen können sich beim Atmen verschlimmern. Manche, aber nicht alle Personen mit PSP leiden unter Atemnot. Manche müssen husten, leiden unter Schmerzen in der Schulter oder heftigen Schmerzen zwischen den Schulterblättern. Meistens dauern diese Schmerzen nicht lange an und verschlimmern sich nur in seltenen Fällen.
Was sind Blebs und Bullae?
Blebs und/oder Bullae treten bei Personen mit PSP häufig auf. Blebs sind kleine, mit Luft gefüllte Bläschen, die sich an der Lungenoberfläche bilden. Bullae (Einzahl: Bulla) sind Lufthöhlen, die sich im Lungengewebe bilden. Manche Experten gehen davon aus, dass das platzende Blebs oder Bullae einen PSP auslösen mit nachfolgendem Eindringen von Luft in die Pleurahöhle. In diesem Bereich wird weiter geforscht.
Wie wird PSP diagnostiziert?
Der PSP wird normalerweise durch ein einfaches Bruströntgenbild diagnostiziert. Manchmal kann Ihr Arzt aber auch schon durch das Abhören Ihres Brustkorbs feststellen, dass bei Ihnen ein PSP aufgetreten ist. In manchen Fällen benötigt der Arzt eine Computertomographie, um detaillierte Informationen über das Lungengewebe zu erhalten.
Wie wird ein PSP behandelt?
Abhängig von Ihren Lebensumständen und Ihrem Wohnort gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, um PSP zu behandeln.
Beobachtung
Oft kann man durchaus über einen gewissen Zeitraum mit einem Pneumothorax/Luft in der Pleurahöhle leben. Daher ist nicht jeder PSP unbedingt sofort therapiebedürftig. Nach Krankenhausaufnahme und Eingangsuntersuchung erhalten Sie häufig Sauerstoff, um die Atemnot zu lindern, sowie eine Schmerztherapie. Nach Abklingen der Symptome wird man Sie wahrscheinlich für kurze Zeit im Krankenhaus behalten, damit Ihr Arzt feststellen kann, dass es Ihnen gut geht (Beobachtung). Es ist auch möglich, dass man Sie entlässt und Sie anweist, bei Auftreten von Symptomen wie Brustschmerzen oder Atemnot erneut das Krankenhaus zu kontaktieren. Ihr Arzt wird Ihnen nach einigen Tagen eine Kontrolluntersuchung der Lunge vorschlagen, eventuell auch mit einem Röntgenbild des Brustkorbs, damit überprüft werden kann, ob sich der PSP verbessert oder gänzlich gegeben hat.
„Ich saß gerade, als ich plötzlich Schmerzen in der Brust bekam und das Atmen schwierig wurde. Ein Röntgenbild der Brust zeigte, dass ein PSP an meiner linken Lunge aufgetreten war. Mir wurde über 2 Minuten hinweg Sauerstoff verabreicht und die Schmerzen wurden ebenfalls behandelt. Ich musste 4 oder 5 Stunden zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Seitdem hatte ich keine Symptome mehr.“
Linda aus Frankreich erlitt im Alter von 24 Jahren einen PSP.
Die Entfernung von Luft aus der Pleurahöhle
Wenn Ihr Arzt der Ansicht ist, dass bei Ihnen ein besonders großes Risiko eines erneuten Lungenkollaps besteht oder dass Ihr PSP Ihnen das Atmen erschwert, wird man Ihnen eine von mehreren Therapiemöglichkeiten vorschlagen, mit denen Luft aus der Pleurahöhle entfernt wird.
Nadelaspiration
Bei einer Nadelaspiration wird nach einer lokalen Betäubung eine dünne Sonde in den Brustkorb eingeführt und die in der Pleurahöhle vorhandene Luft mit einer Spritze abgesaugt. Diese Behandlung kann ambulant erfolgen und erfordert keine Übernachtung im Krankenhaus. Sie dauert etwa 30 Minuten. Nach Nadelaspiration ist ein Kontroll-Röntgenbild des Brustkorbs erforderlich, um die Wirksamkeit der Behandlung zu überprüfen. Ist dies der Fall, erfolgt die Nachsorge ambulant.
„Die Nadelaspiration war kein besonders schwieriger Eingriff. Rückblickend hätte ich vorher gerne gewusst, wie es sich anfühlt, wenn sich die Lunge wieder aufbläht – ich bekam einen unkontrollierbaren Hustenanfall, was ziemlich beängstigend war. Nach ein paar Minuten war er aber schon wieder vorbei.“
Maria aus Großbritannien hatte mit Anfang 20 erstmals PSP. Seitdem trat bei ihr mehrmals erneut PSP auf, bis schließlich eine offene Thorakotomie durchgeführt wurde.
Anlegen einer Brustdrainage
Bei einer Brustdrainage wird ein Schlauch in den Brustkorb eingeführt, mit dem die Luft aus der Pleurahöhle abgesaugt wird. Dieser Eingriff erfolgt bei lokaler Betäubung. Außerdem erhalten Sie weitere Schmerzmittel oder entspannende Medikamente. Werden Ihnen diese nicht angeboten, können Sie danach fragen. Normalerweise wird ein dünner Schlauch für den Eingriff verwendet. Nach Einführen des Schlauchs wird dieser mit einem kleinen Stich befestigt und entweder an einen Katheter oder ein Ventil angeschlossen. Bei beiden Methoden kann die Luft aus der Pleurahöhle austreten, aber nicht wieder eindringen. So kann die Lunge sich wieder ausdehnen. Wenn ein Ventil angelegt wurde, können Sie weiter ambulant behandelt werden. Bei Verwendung eines Katheters ist im Regelfall eine stationäre Aufnahme erforderlich. Die vollständige Ausdehnung der Lunge kann mehrere Tage dauern. Bei Entfernung der Drainage wird der kleine Stich, mit dem der Schlauch an der Haut befestigt wurde, zur Schließung der winzigen Wunde verwendet.
Verhinderung eines erneuten Lungenkollaps
Pleurodese
Die Pleurodese ist ein Verfahren, bei dem die Pleura verklebt wird, um einen erneuten Kollaps der Lunge zu verhindern. Dies kann auf chemischem oder mechanischem Weg erfolgen. Bei der chemischen Pleurodese wird ein chemischer Reizstoff (üblicherweise Talkum) mittels der Brustdrainage in die Pleurahöhle eingeführt, der die beiden Gewebeschichten miteinander verklebt. Es besteht auch die Möglichkeit chirurgischer Eingriffe wie eine Pleurektomie oder pleurale Abrasion (mechanische Pleurodese). Bei einer Pleurektomie reseziert der Chirurg das Gewebe zwischen Lunge und Brustwand, sodass die Lunge fest mit der Brustwand verkleben kann, wodurch einem erneuten Lungenkollaps vorgebeugt wird. Bei der pleuralen Abrasion reibt der Chirurg die Pleura mit einem Stück Mull leicht ab. Dadurch wird die Pleura aufgeraut, um bei der Heilung die Lunge mit dem Brustkorb zu verkleben. Dies kann entweder durch eine Thorakoskopie (Schlüssellochoperation mit einer winzigen Kamera) oder einen chirurgischen Eingriff erfolgen.
Video-assistierte Thoraxchirurgie
Die video-assistierte Thoraxchirurgie (VATS) ist eine minimalinvasive Schlüsselloch-Chirurgie, die unter Vollnarkose durchgeführt wird. Dabei wird ein dünnes, schlauchartiges Instrument mit einer Kamera (Thorakoskop) an einem Ende durch einen kleinen Schnitt in den Brustkorb eingeführt. Bei diesem Verfahren werden Bullae entfernt und anschließend eine Pleurodese durchgeführt. VATS erfordert üblicherweise einen kurzen Krankenhausaufenthalt. Da es sich um eine Schlüsselloch-Operation handelt, ist nur eine minimale Narbenbildung zu erwarten.
Offene Thorakotomie
Eine offene Thorakotomie wird heute wesentlich seltener als eine VATS für die Behandlung eines PSP eingesetzt. Unter einer Thorakotomie versteht man die chirurgische Öffnung des Brustkorbs, normalerweise durch einen Einschnitt im Achselbereich. Wie bei VATS werden auch bei diesem Verfahren Bullae entfernt und anschließend eine Pleurodese durchgeführt. Langfristig kann es bei manchen Personen nach VATS oder einer Thorakotomie zu anhaltenden oder gelegentlichen Schmerzen kommen.
Behandlung eines katamenialen Pneumothorax
Ein katamenialer Pneumothorax erfordert eine Betreuung durch ein Ärzteteam, darunter Lungenfachärzte und Gynäkologen. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Eingriffen kann eine Hormonbehandlung notwendig werden.
„Der PSP hat mein Leben nicht allzu drastisch verändert: Ich fahre noch immer Rad, aber etwas langsamer als früher und auf nicht ganz so steilen Strecken. Obwohl meine Lunge nicht mehr kollabieren kann, treten nach wie vor Momente auf, bei denen sie es versucht – und das kann ziemlich schmerzhaft sein. Ich leide ein- bis zweimal im Monat unter leichten Schmerzen. Starke Schmerzen treten etwa einmal im Jahr auf, aber Wärmflaschen und heiße Duschen helfen gut. Ich bin bei gewissen Bewegungen vorsichtig und vermeide Flugreisen, da sich meine Symptome dadurch verschlimmern.I am careful with certain movements, and try to avoid flying, because it tends to increase my Symptome.“
Maria aus Großbritannien hatte mit Anfang 20 erstmals einen PSP. Seitdem trat bei ihr mehrmals erneut PSP auf, bis schließlich eine offene Thorakotomie durchgeführt wurde.
Wird bei mir erneut ein Pneumothorax auftreten?
Bei etwa 30 Prozent aller Personen, bei denen ein PSP auftritt, kommt es zu weiteren Lungenkollapsen. Tabakund/oder Marihuanakonsum erhöhen das Risiko eines weiteren Lungenkollaps erheblich. Rauchern wird der Arzt nach einem PSP dringend eine Beendigung des Tabakkonsums nahe legen. Im Falle eines erneuten Lungenkollapses wird Ihr Arzt entweder eine Drainage-Therapie oder eine Thorakoskopie bzw. Operation vorschlagen zur Verhinderung eines erneuten Auftretens.
Muss ich nach einem PSP meinen Lebensstil ändern?
Die meisten Personen, bei denen ein PSP auftritt, genesen vollständig und können ein normales, aktives Leben führen. Allerdings sollten Sie folgende Dinge beachten:
- Personen mit stattgehabtem PSP sollten nicht tieftauchen. Die unterschiedlichen Druckbedingungen können Atemnot verursachen.
- Wenn Sie an PSP leiden, sollten Sie nicht fliegen, ohne dass vorher die Luft aus Ihrer Pleurahöhle abgelassen wurde. Dies hat ebenfalls mit den unterschiedlichen Druckbedingungen zu tun.
- Personen, die regelmäßig tauchen oder fliegen – z.B. Bedienstete von Fluglinien, wie Piloten oder Flugbegleiter, oder professionelle Taucher – sollten einen Spezialisten zu Rate ziehen und eine Pleurodese erwägen.
- Falls Sie rauchen, verringern Sie die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Lungenkollaps am wirksamsten, indem Sie mit dem Rauchen aufhören.
Falls Sie Fragen dazu haben, welche Aspekte Ihres Lebensstils ein Risikofaktor für einen erneuten Lungenkollaps darstellen könnten, fragen Sie Ihren Arzt um Rat.
„Ich stellte den Ärzten jede Menge Fragen über Sport und ob es für mich nach wie vor möglich sein würde, Klimmzüge zu machen. Mir wurde gesagt, dass ich es anfangs nicht übertreiben, sondern lieber langsam mit dem Training beginnen sollte. Jetzt mache ich etwa fünfmal die Woche Sport. Ich trainiere im Fitness Center mit Gewichten und wenn ich das Gefühl habe, dass es reicht, mache ich eine Pause oder trainiere weniger hart als sonst. Ansonsten denke ich nicht allzu viel darüber nach.“
Marcus aus Großbritannien erlitt im Alter von 32 Jahren einen PSP.
Weitere Informationen:
Die vollständige Stellungnahme der Experten zum PSP werden Sie in der zweiten Jahreshälfte 2015 auf der Webseite des European Respiratory Journal einsehen können: https://erj.ersjournals.com/content/46/2/321
Die Zusammenstellung des Materials erfolgte unter Mitwirkung von Professor Jean-Marie Tschopp, Professor Emeritus der medizinischen Fakultät der Universität Genf; Professor Giuseppe Cardillo, FRCS, FETCS, Abteilung für Thoraxchirurgie, Carlo Forlanini- Krankenhaus, Rom; Linda Bouhlel und Marcus Green.