Diagnose: Asthma im kindersalter – Informationen zum besseren Verständnis der klinischen Leitlinie

In diesem Dokument werden die Empfehlungen erläutert, die von der European Respiratory Society (ERS) in der klinischen Leitlinie zur Diagnose von Asthma bei Kindern und Jugendlichen zwischen 5 und 16 Jahren dargelegt wurden. Der Inhalt dieses Dokuments richtet sich an Eltern und andere Personen, die Kinder mit Asthma betreuen, wobei mit „Kindern“ hier immer auch Jugendliche gemeint sind. Generell bezieht sich der Inhalt auf alle Personen unter 17 Jahren, bei denen ein Asthma-Verdacht besteht, bei denen Asthma bereits diagnostiziert wurde oder deren AsthmaErkrankung bereits medikamentös behandelt wird oder wurde.

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Letztes Update 06/02/2024
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Einleitung


Was sind Leitlinien für die klinische Praxis?

Klinische Leitlinien sind das Ergebnis eines wissenschaftlichen Prozesses, bei dem neueste Daten und Erkenntnisse im jeweiligen Bereich zusammengetragen und evaluiert werden. Zudem finden die Ansichten führender Experten und Expertinnen sowie die Prioritäten von Betroffenen und Betreuenden bzw. Pflegenden, die über Erfahrungen mit der jeweiligen Krankheit verfügen, Berücksichtigung in den Leitlinien. Klinische Leitlinien richten sich an medizinisches Fachpersonal und dienen als Best-Practice-Dokument in Bezug auf die Diagnose, das Management und die Behandlung der jeweiligen Krankheit.

Was ist in diesem Dokument enthalten?

In diesem Dokument werden die wichtigsten Inhalte der klinischen Leitlinie zusammengefasst dargestellt und so erläutert, dass sie für Menschen ohne medizinischen Hintergrund gut verständlich sind. Es wird erklärt, was Asthma ist und wie diese Erkrankung diagnostiziert wird. Ziel ist es, jungen Asthma-Betroffenen sowie ihren Eltern und anderen Betreuungspersonen Informationen zugänglich zu machen, die ihnen helfen, den Diagnoseprozess besser zu verstehen und so fundierte Behandlungsentscheidungen zu treffen.

Was bedeutet Asthma im Kindesalter?


Asthma ist eine Erkrankung, die mit Symptomen wie keuchendem Atem, Husten und Atemnot einhergeht. Diese Symptome werden durch Probleme in den Atemwegen verursacht, die das Atmen erschweren:

• Blockierte Atemwege – Die Atemwege sind aufgrund von Schwellungen oder starker Schleimbildung blockiert.

• Entzündete Atemwege – Die Atemwege sind gereizt, schwellen an und verengen sich.

• Überempfindliche Bronchien – Die Atemwege reagieren sehr sensibel auf Reizstoffe wie Rauch oder kalte Luft sowie körperliche Anstrengung/Betätigung. Sie verengen sich, wodurch das Atmen erschwert wird.

Asthma-Symptome können je nach Person unterschiedlich sein und oft treten nicht alle der für die Krankheit typischen Symptome auf. Dazu kommt, dass Symptome plötzlich auftreten, aber auch wieder verschwinden können. Von Asthma im Kindesalter spricht man, wenn Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 16 Jahren unter Asthma leiden. Es ist schwierig, Asthma vor dem fünften Geburtstag zu diagnostizieren, da die zur Diagnose notwendigen Tests bei so kleinen Kindern schwer durchzuführen sind. Sind die Betroffenen sehr jung, werden in manchen Fällen asthmaähnliche Symptome wie eine keuchende Atmung behandelt und die Diagnosestellung wird auf später verschoben. Jugendliche über 16 Jahren gelten in diesem Kontext als Erwachsene. Bei ihnen wird zur Diagnosefindung also wie bei Erwachsenen vorgegangen.

Welche Verfahren sollten zur Diagnose angewendet werden?


Es gibt viele mögliche Verfahren, um Asthma zu diagnostizieren. Diese Leitlinie empfiehlt die wirksamsten Verfahren auf Grundlage einer Überprüfung der neuesten Daten und Erkenntnisse und des fachlichen Austauschs zwischen Experten und Expertinnen.

Symptome

Bei der ärztlichen Untersuchung sollte danach gefragt werden, welche Symptome das betroffene Kind hat und wodurch sie ausgelöst werden. Typische Symptome sind eine keuchende Atmung, Husten oder Atemnot, die über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder auftreten können. Für den behandelnden Arzt / die behandelnde Ärztin kann ein Tagebuch mit Eintragungen zu den auftretenden asthmaähnlichen Symptomen bei der Einschätzung der vorliegenden Erkrankung hilfreich sein. Die Diagnose sollte jedoch nicht allein auf Grundlage der Symptome gestellt werden.
Zwecks Diagnose oder Ausschluss dieser Erkrankung müssen einige Tests durchgeführt werden.

Drei Haupttests

In der Leitlinie werden drei Tests empfohlen, um festzustellen, ob der Patient / die Patientin an Asthma leidet. Asthma sollte jedoch nicht auf Basis der Ergebnisse eines einzigen Tests diagnostiziert oder ausgeschlossen werden. Stattdessen sollte ein Asthma-Verdacht erst dann als bestätigt betrachtet werden, wenn die Ergebnisse von zwei Tests auf Asthma hindeuten.

Spirometrie-Test

Bei einem Spirometrie-Test muss die untersuchte Person in ein Messgerät, ein sogenanntes Spirometer, blasen und wird gebeten, dabei so viel Luft wie möglich und so kräftig wie möglich auszuatmen. Das Spirometer misst, wie viel Luft in der ersten Sekunde des Tests sowie insgesamt ausgeatmet wird. Die Ergebnisse dieser beiden Messungen werden dann mit Werten abgeglichen, die für Personen desselben Geschlechts und Alters als normal gelten. Auf der Website der ELF finden Sie weitere Informationen, die Ihnen helfen, die Ergebnisse eines Spirometrie-Tests zu verstehen:

https://europeanlung.org/de/information-hub/factsheets/lungenfunktionsuntersuchung-mithilfe-der-spirometrie/

Zur Bestätigung eines Asthma-Verdachts wird in der Leitlinie die Durchführung eines Spirometrie-Tests sowie der im Folgenden beschriebenen zwei Tests empfohlen. In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Test nicht korrekt durchgeführt werden kann, wenn einem Kind das korrekte Ausatmen in das Gerät schwerfällt. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass ein falsches Ergebnis angezeigt wird. Aus diesem Grund sieht die Leitlinie vor, dass Asthma als Diagnose nicht allein aufgrund von Ergebnissen eines Spirometrie-Tests ausgeschlossen werden sollte, die auf eine normale Lungenfunktion hinweisen. Besteht trotz normaler Lungenfunktion aufgrund der Symptomatik ein Asthma-Verdacht, kommt es auf die Ergebnisse der beiden folgenden Tests an.

2. Bronchodilatator-Reversibilitätstest

Hat der Spirometrie-Test den Asthma-Verdacht erhärtet, sollte im nächsten Schritt der Diagnosefindung ein Bronchodilatator-Reversibilitätstest (kurz: BDR-Test) durchgeführt werden. Bei diesem Test inhaliert die untersuchte Person eine kleine Menge eines Asthma-Medikaments bzw. eines bronchienerweiternden Mittels, was eine Öffnung der Atemwege bewirkt. Bronchienerweiternde Mittel werden eingesetzt, wenn Symptome auftreten, und verschaffen schnelle Linderung. Sie sorgen dafür, dass sich die Atemwege entspannen und das Atmen so einfacher wird.

Diese Mittel werden häufig durch einen sogenannten Spacer eingeatmet, eine Inhalierhilfe aus Kunststoff, die gerade Kindern das Inhalieren einfacher macht.

Nach der Inhalation des Mittels wird erneut ein Spirometrie-Test durchgeführt, um die Auswirkungen auf die Atemwege zu prüfen. Kann das Kind nun besser atmen, ist klar, dass das Medikament einer Verengung der Atemwege entgegengewirkt hat, was den Asthma-Verdacht bestätigt.

Eine Asthma-Diagnose kann gestellt werden, wenn sowohl die Ergebnisse des Spirometrie-Tests als auch die des BDR-Tests auf Asthma hindeuten.

FeNO-Test

Beim FeNO-Test atmet die untersuchte Person in ein Gerät ein und aus, das den Stickstoffmonoxidgehalt in der Ausatmungsluft (FeNO) misst. Ein hoher Stickstoffmonoxidgehalt deutet auf Schwellungen (Entzündungen) in den Lungen hin.

Sehr jungen Kindern kann es Schwierigkeiten bereiten, so auszuatmen, wie es für diesen Test nötig ist. Zudem ist es möglich, dass Entzündungen in den Atemwegen festgestellt werden, die nicht mit Asthma in Verbindung stehen. Solche Entzündungen können beispielsweise bei Kindern vorliegen, die unter Heuschnupfen leiden. Aus diesem Grund wird in der Leitlinie empfohlen, eine Diagnose nicht allein auf die Ergebnisse dieses Tests zu stützen. Eine Diagnose sollte stattdessen auf Grundlage des Gesamtbilds erfolgen, das sich aus den Ergebnissen dieses Tests, den Ergebnissen der zuvor vorgestellten Tests und der Auswertung der Symptome des betroffenen Kindes ergibt.

Werden noch andere Tests durchgeführt?


In der Leitlinie werden die drei beschriebenen Tests als die besten Verfahren zur Diagnose von Asthma empfohlen. Es gibt jedoch noch einige andere Diagnoseverfahren in diesem Bereich. Im Folgenden werden die in der Leitlinie enthaltenen Schlussfolgerungen zu diesen Verfahren zusammenfassend dargestellt.

Versuchsbehandlung

Kinder mit Asthma-Symptomen werden oft mit einem vorbeugenden Asthma-Medikament behandelt, das über ein Inhalationsgerät inhaliert werden muss. Dieses Mittel bewirkt, dass die Schwellungen in den Atemwegen mit der Zeit zurückgehen. Nachdem das betroffene Kind kurze Zeit so behandelt wurde, wird geprüft, ob sich die Symptome verbessert haben.

In der Leitlinie wird nicht empfohlen, Betroffene versuchsweise zu behandeln, um Asthma zu diagnostizieren oder auszuschließen, da nicht ausreichend Belege dafür vorliegen, dass auf diese Weise eine korrekte Diagnose gestellt werden kann.

Dieses Verfahren ist in vielen Ländern jedoch weit verbreitet und kommt insbesondere bei sehr jungen Kindern zur Anwendung, bei denen sich die korrekte Durchführung der drei Haupttests schwierig gestaltet. Gemäß der Leitlinie kann dieses Verfahren daher hilfreich sein, wenn eine Diagnose oder ein Ausschluss der Erkrankung mittels der drei Haupttests nicht möglich war. In diesen Fällen sollten diese drei Tests vier bis acht Wochen nach der Versuchsbehandlung wiederholt werden, um zu prüfen, ob sich eine Besserung eingestellt hat. Die Diagnose sollte sich also nicht nur auf die Symptomlinderung stützen, sondern auch auf die Testergebnisse, die Veränderungen der Lungenfunktion anzeigen.

Maximale Atemstromstärke bei forcierter Ausatmung (PEFR) – Peak-Flow-Test

Beim Peak-Flow-Test wird gemessen, wie stark eine Person maximal ausatmen kann. Der Test wird zu Hause oder in der Arztpraxis mit einem kleinen, tragbaren Gerät durchgeführt. In manchen Fällen wird das betroffene Kind auch gebeten, die zu Hause gemessenen Werte über einen Zeitraum von mehreren Wochen in ein Tagebuch einzutragen.

Gemäß der Leitlinie ist dieser Test nicht so zuverlässig wie der Spirometrie-Test, der BDR-Test und der FeNO-Test. In Gesundheitssettings, in denen die drei Haupttests nur eingeschränkt verfügbar sind, kann ein Peak-Flow-Tagebuch allerdings ein sinnvoller Ersatz sein. Im Idealfall sollten die Messungen über einen Zeitraum von zwei Wochen mit einem elektronischen Peak-Flow-Meter vorgenommen werden.

Provokationstests

Direkter bronchialer Provokationstest

Dieser Test zur Messung der Sensibilität der Atemwege wird in Krankenhäusern durchgeführt. Bei diesem Test müssen über ein tragbares Gerät verschiedene Substanzen eingeatmet werden, die die Atemwege reizen und dazu führen, dass sie sich verengen. Asthma-Kranke reagieren auf diese Substanzen sehr viel schneller als Menschen mit gesunden Lungen. Dieser Test kann Angstgefühle hervorrufen, wird jedoch unter streng kontrollierten Bedingungen und in Anwesenheit einer auf Asthma spezialisierten Fachkraft durchgeführt, die eventuell auftretende Symptome überwacht und ggf. behandelt. Nach Beendigung des Tests wird ein bronchienerweiterndes Medikament verabreicht, um die Atemwege wieder zu öffnen.

Dieser Test kann mit einem hohen Zeitaufwand verbunden sein und von Kindern und ihren Eltern oder anderen Betreuungspersonen zudem als belastend empfunden werden. Gemäß der Leitlinie sollte daher nur dann auf diesen Test zurückgegriffen werden, wenn eine Diagnose ausgehend von den Ergebnissen der drei beschriebenen Haupttests nicht möglich ist und das betroffene Kind unter anhaltenden Symptomen leidet. Die Ergebnisse dieses Tests sollten zudem im Zusammenhang mit den Ergebnissen anderer Tests sowie den Symptomen gesehen werden, um ein Gesamtbild zu erhalten, das die Diagnose Asthma oder den Ausschluss der Erkrankung ermöglicht.

Indirekter Provokationstest

Diesem Test liegt insofern ein ähnliches Prinzip zugrunde wie dem direkten Provokationstest, als dass Situationen provoziert werden, in denen die Atemwege anschwellen bzw. sich entzünden. Bei einem indirekten Provokationstest wird die betroffene Person Reizen ausgesetzt, die Entzündungen auslösen können, zum Beispiel körperlicher Anstrengung. Diese Tests erfolgen in klinischen Umgebungen, wobei das untersuchte Kind nach kurzer körperlicher Aktivität einem Spirometrie-Test unterzogen wird. Auch diese Tests finden unter streng kontrollierten Bedingungen und in Anwesenheit von medizinischen Fachkräften statt, die eventuell auftretende Symptome überwachen und ggf. behandeln.

In Bezug auf indirekte Provokationstests empfiehlt die Leitlinie, die Belastbarkeit von Kindern, die bei körperlicher Betätigung Asthma-Symptome entwickeln, mittels Laufband oder Fahrrad zu testen. Auf diesen Test sollte nur zurückgegriffen werden, wenn eine Diagnose ausgehend von den Ergebnissen der drei beschriebenen Haupttests nicht möglich ist. Die Ergebnisse dieses Tests sollten zudem im Zusammenhang mit den Ergebnissen anderer Tests sowie den Symptomen gesehen werden, um ein Gesamtbild zu erhalten, das die Diagnose Asthma oder den Ausschluss der Erkrankung ermöglicht.

Allergietests

Viele Kinder – und insbesondere Kinder mit Asthma – leiden unter Allergien. Partikel unterschiedlicher Substanzen, die in der Luft schweben (Allergene), können Asthma-Symptome auslösen, darunter Hausstaubmilben, Tierhaare, Pollen und Schimmelpilze. Mittels Prick- und Bluttests wird überprüft, ob das untersuchte Kind allergisch auf diese Allergene reagiert.

Bei einem Pricktest wird eine allergenhaltige Lösung auf die Haut am Arm des Kindes getröpfelt und diese dann oberflächlich angestochen. Wenn eine Allergie auf die jeweilige Substanz vorliegt, entwickelt sich schnell eine rote, juckende Schwellung.

Mit Bluttests können spezifische Antikörper gemessen werden, die das Immunsystem produziert, wenn es mit einem Allergen konfrontiert wird.

In der Leitlinie wird davon abgeraten, diese Tests zur Diagnose von Asthma heranzuziehen, da sie ausgehend von vorliegenden Daten und Erkenntnissen nicht zuverlässig genug sind. Bei ihrer Anwendung besteht die Gefahr, dass bei Kindern mit Allergien, die nicht mit Asthma in Verbindung stehen, fälschlicherweise Asthma diagnostiziert wird. Andererseits könnten Symptome von Kindern, die tatsächlich unter Asthma leiden, fälschlicherweise als Symptome einer Allergie gedeutet werden. Gemäß der Leitlinie können diese Tests jedoch im Rahmen des Asthma-Managements und für das Verständnis von Symptomen und Auslösern hilfreich sein, nachdem unabhängig davon eine Diagnose gestellt wurde.

Zusammenfassung


Es gibt viele verschiedene Tests und Verfahren für die Diagnose von Asthma, die in verschiedenen Teilen der Welt in unterschiedlichem Maß eingesetzt werden. Die Leitlinie der European Respiratory Society empfiehlt, für die Diagnose oder den Ausschluss von Asthma die Ergebnisse von zwei der drei Haupttests (Spirometrie-Test, BDR-Test und FeNO-Test) heranzuziehen. Liefern diese Tests keine klaren Ergebnisse und halten die Symptome an, gibt es eine Reihe weiterer Optionen, um den Ursachen entsprechender Beschwerden bei Kindern auf die Spur zu kommen.

„Es ist so wichtig, eine zuverlässige Diagnose zu bekommen. Als Mutter oder Vater willst du Antworten, um etwas tun zu können, um helfen und dazu beitragen zu können, dass die Symptome deines Kindes besser werden. Unter Umständen sind einige Tests erforderlich, bis eine Asthma-Diagnose vorliegt. Mich beruhigt es aber, zu wissen, dass die Diagnosestellung nicht nur auf Basis unserer Familiengeschichte und der Symptome erfolgt ist, sondern auch Testergebnisse eingeflossen sind. Wenn der Verdacht durch Testergebnisse bestätigt wird, ist es leichter, darauf zu vertrauen, dass du den richtigen Umgang mit der Erkrankung deines Kindes findest.“ Kerri Jones, Mutter eines von Asthma betroffenen Kindes

Weiterführende Lektüre


Diese Leitlinie wurde von der European Respiratory Society und der European Lung Foundation erstellt. Weitere Informationen zu diesen Organisationen und Zugang zur vollständigen klinischen Leitlinie erhalten Sie unter den folgenden Links: