Die Diagnose von Asthma im Erwachsenenalter: Verstehen der Leitlinie für Fachpersonen
Content Table
Einführung
Für wen ist dieses Dokument bestimmt und wovon handelt es?
Dieses Dokument erläutert die Empfehlungen der klinischen Leitlinien der European Respiratory Society (ERS) für die Diagnose von Asthma bei Erwachsenen (alle Personen über 18 Jahre). Sie richtet sich an Menschen, bei denen der Verdacht auf Asthma besteht, oder an ihre Betreuer.
Was versteht man unter Leitlinien für die klinische Praxis?
Klinische Leitlinien werden nach einem wissenschaftlichen Verfahren verfasst, bei dem die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet erfasst und beurteilt werden. Leitlinien berücksichtigen zudem die Meinungen führender Experten/Expertinnen und die Prioritäten von Patienten/Patientinnen und Betreuern/Betreuerinnen, die Erfahrungen mit einer bestimmten Erkrankung haben. Klinische Leitlinien richten sich an medizinische Fachpersonen. Sie nutzen diese als „Best Practice“-Dokument für die Diagnose, das Management und die Behandlung bestimmter Erkrankungen.
Was ist in diesem Dokument enthalten?
In diesem Dokument werden die wichtigsten Punkte der klinischen Leitlinien zusammengefasst. Sie werden dabei so erklärt, dass sie für Menschen, die nicht im medizinischen Bereich arbeiten, leichter zu verstehen sind. Dieses Dokument befasst sich mit der Definition und der Diagnose von Asthma. Das Bereitstellen der Informationen in diesem Dokument in verständlicher Form soll Menschen, die sich Untersuchungen im Hinblick auf Asthma unterziehen, dabei helfen, den Diagnoseprozess besser zu verstehen und so fundierte Entscheidungen zu ihrer Behandlung treffen zu können.
Was versteht man unter Asthma im Erwachsenenalter?
Bei Asthma handelt es sich um eine Erkrankung, die sich durch Keuchen, Husten und Atemnot äußert. Diese Symptome werden durch Probleme in den Atemwegen verursacht, die die Atmung erschweren:
- Obstruktion der Atemwege – Blockierung der Atemwege durch Schwellungen oder überschüssigen Schleim
- Entzündung der Atemwege – Reizung der Atemwege, die zu Schwellungen und Verengungen führt
- Überempfindlichkeit der Bronchien – übermäßige Empfindlichkeit der Atemwege sowie schnelle Reaktion auf Reize wie Rauch, kalte Luft oder Bewegung. Durch die Reaktion verkleinern sie sich, was die Atmung erschwert.
Die Ausprägung des Asthmas kann von Mensch zu Mensch variieren, und nicht jede Person zeigt alle der oben genannten Symptome. Symptome können auch im Laufe der Zeit kommen und gehen.
Von Asthma im Erwachsenenalter spricht man, wenn Asthma Menschen über 18 Jahre betrifft. Zu der Diagnose bei Kindern zwischen 5 und 18 Jahren gibt es spezifische Leitlinien.
Wie wird Asthma im Erwachsenenalter diagnostiziert?
Spirometrie
Bei der Spirometrie muss der Patient/die Patientin in ein Gerät, das als Spirometer bezeichnet wird, blasen. Während der Untersuchung wird der Patient/die Patientin aufgefordert, so viel Luft und so kräftig wie möglich auszuatmen. Das Spirometer ermittelt dann zwei Dinge: wie viel Luft insgesamt ausgeblasen werden kann und wie viel Luft in der ersten Sekunde des Tests ausgeblasen wird. Diese beiden Messwerte werden mit einer Tabelle verglichen, die die Normwerte nach Geschlecht und Alter enthält. Weitere Informationen zum Verständnis der Ergebnisse einer Spirometrie finden Sie auf der ELF-Website: https://europeanlung.org/de/information-hub/factsheets/lungenfunktionsuntersuchung-mithilfe-der-spirometrie/
Die Spirometrie sollte bei einem Verdacht auf Asthma als erste Untersuchung durchgeführt werden. Sofern die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Asthma vorliegt, wäre der nächste Schritt ein Bronchodilatator-Reversibilitätstest (BDR) (siehe unten), mit dem die Ergebnisse bestätigt werden sollen. Sofern die Befunde normal sind, die Symptome des Patienten/der Patientin jedoch immer noch auf Asthma hinweise, können weitere, unten beschriebene Untersuchungen durchgeführt werden, um das Vorliegen von Asthma zu bestätigen oder auszuschließen.
Bronchodilatator-Reversibilitätstest (BDR)
Sofern die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Asthma vorliegt, wäre der nächste Schritt ein Bronchodilatator-Reversibilitätstest (BDR) (siehe unten), mit dem die Ergebnisse bestätigt werden sollen. Bei der BDR-Untersuchung wird eine kleine Menge eines Asthmamedikaments, eines so genannten Relievers, eingenommen, um die Atemwege zu öffnen. Reliever-Medikamente werden eingesetzt, um Symptome bei deren Auftreten rasch zu lindern. Sie entspannen die Atemwege und erleichtern so das Atmen.
10-15 Minuten nach der Einnahme des Medikaments wird erneut eine Spirometrie durchgeführt, um festzustellen, ob sich die Atemwege verändert haben. Falls der Patient/die Patientin diesmal besser atmen kann, ist davon auszugehen, dass das Medikament gewirkt und eine Verengung der Atemwege verhindert hat. Es ist daher wahrscheinlich, dass der Patient/die Patientin Asthma hat.
Sofern die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Asthma vorliegt, wäre der nächste Schritt ein Bronchodilatator-Reversibilitätstest (BDR) (siehe unten), mit dem die Ergebnisse bestätigt werden sollen.
FeNO-Test (Fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid)
Bei einem FeNO-Test muss der Patient/die Patientin in ein Gerät atmen. Dieses misst einen bestimmten Wert in der ausgeatmeten Luft. Es handelt sich dabei um Stickstoffmonoxid. Ein hoher Stickstoffmonoxidspiegel deutet auf eine Schwellung (Entzündung) in der Lunge hin. Es gibt jedoch auch Schwellungen in den Atemwegen, die nicht mit Asthma zusammenhängen. Beispielsweise kann dies der Fall sein, wenn jemand an einer allergischen Rhinitis oder einem Ekzem, nicht aber an Asthma leidet.
Daher sollten die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht allein zur Bestätigung oder zum Ausschluss einer Asthmadiagnose verwendet werden. Stattdessen sollten die Ergebnisse zusammen mit den beiden oben genannten Untersuchungen und unter Berücksichtigung der Symptome des Patienten/der Patientin verwendet werden. Wenn alle Punkte auf Asthma hindeutet, kann eine Diagnose gestellt werden.
Peak expiratory flow rate (PEFR) – Peak-Flow-Messung
Bei einem sogenannten Peak-Flow-Test wird untersucht, wie schnell jemand ausatmen kann. Dazu wird ein kleines Handgerät verwendet. Dieser Test kann in der Praxis oder auch zuhause durchgeführt werden. Manchmal bitten medizinische Fachpersonen den Patienten/die Patientin, im Verlauf einiger Wochen ein Tagebuch über die zuhause durchgeführten Peak-Flow-Messungen zu führen.
Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Spirometrie, BDR und FeNO-Untersuchungen liefert dies keine unmittelbaren Ergebnisse. Sofern keine andere Untersuchungsoption zur Verfügung steht, könnte es eine nützliche Messung sein. Die Messung kann auch dabei helfen, zu erkennen, was die Ursachen für das Asthma einer Person sind. Durch Messungen, die über einen bestimmten Zeitraum hinweg erfolgen, lässt sich ermitteln, wann sich die Symptome verschlimmern und was die Ursache dafür ist. Zum Beispiel, wenn das Asthma eines Patienten/einer Patientin mit dessen/deren Arbeitsplatz zusammenhängt.
Bronchialer Provokationstest
Bei einem bronchialen Provokationstest werden die Atemwege gereizt, um eine Obstruktion zu verursachen und die Atemfrequenz des Patienten/der Patientin zu vermindern. Dies ermöglicht es dem Arzt/der Ärztin zu beobachten, wie sich die Atemwege des Patienten/der Patientin als Reaktion auf eine bestimmte Substanz oder auf Bewegung zusammenziehen. Zudem kann so überprüft werden, ob die Asthmasymptome während des Tests reproduzierbar sind und inwiefern sie sich mit Asthmamedikamenten bessern.
Dabei wird entweder eine bestimmte Substanz eingeatmet (sogenannter direkter bronchialer Provokationstest) oder es wird eine körperliche Anstrengung unternommen (sogenannter indirekter bronchialer Provokationstest).
Bei Asthmabetroffenen schwellen die Atemwege sehr viel früher an als bei Menschen, deren Lunge gesund ist. Dieser Test wird unter streng kontrollierten Bedingungen durchgeführt. Es ist durchgängig ein Asthmaspezialist vor Ort, um die Symptome zu überwachen und zu behandeln. Nach dem Test werden Reliever-Medikamente verabreicht, um die Atemwege wieder zu öffnen.
Diese Untersuchungen werden in Krankenhäusern oder in spezialisierten Zentren durchgeführt, allerdings werden sie nicht überall angeboten. Sie stellen eine Option zur Diagnose von Asthma dar, sofern mittels Spirometrie und BDR-Tests Asthma nicht bestätigt oder ausgeschlossen werden kann. Manche Menschen finden die Untersuchungen unangenehm und sie sollten nur nach einem Gespräch mit einer medizinischen Fachperson durchgeführt werden.
Der Weg zur Diagnose
Dieses Diagramm veranschaulicht den Weg, den jemand einschlagen könnte, bevor eine Asthmadiagnose bestätigt wird:
Weitere Untersuchungen
Blutuntersuchungen
Blutuntersuchungen, für die eine kleine Blutprobe aus einer Armvene oder aus einem Finger entnommen wird, können dazu beitragen, das Verständnis der Asthmasymptome eines Patienten/einer Patientin verbessern. Diese Untersuchungen können auch dazu beitragen, Anzeichen von Entzündungen und Allergien im Körper zu erkennen. Sie werden häufig eingesetzt, um festzustellen, ob eine Allergie auf ein bestimmtes Allergen, wie Hausstaubmilben oder Pollen, vorliegt.
Blutuntersuchungen sollten jedoch nicht zur Diagnose von Asthma eingesetzt werden. Nachdem eine Diagnose gestellt wurde, können sie dagegen bei der Behandlung von Asthma hilfreich sein und auch Informationen dazu liefern, wodurch die Symptome verursacht werden.
Weiterführende Lektüre
Dieser Leitfaden wurde von der European Respiratory Society und der European Lung Foundation verfasst. Unter den nachfolgenden Links können Sie mehr über diese Organisationen erfahren und auf den vollständigen Leitfaden zugreifen:
Vollständiger klinischer Leitfaden – veröffentlich im Februar 2022: https://doi.org/10.1183/13993003.01585-2021
Weitere Quellen für Patienten/Patientinnen und Betreuer/Betreuerinnen
Untersuchen Ihrer Lungen: Spirometrie (Factsheet) https://europeanlung.org/de/information-hub/factsheets/lungenfunktionsuntersuchung-mithilfe-der-spirometrie/
Asthma bei Erwachsenen (Abschnitt zu Lungenerkrankungen) https://europeanlung.org/de/information-hub/lung-conditions/asthma-im-erwachsenenalter/
Über die ERS
Die European Respiratory Society (ERS) ist eine internationale Organisation, die Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeitende des Gesundheitswesens, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und andere Expertinnen und Experten zusammenbringt, die in der Lungen- und Bronchialheilkunde arbeiten. Es ist eine der führenden medizinischen Organisationen im Bereich Lungen und Atemwege mit einer wachsenden Zahl an Mitgliedern aus über 140 Ländern. Ziel der ERS ist es, die Lungengesundheit voran zu bringen, das Leiden an diesen Erkrankungen zu verringern und Standards der Lungen- und Bronchialheilkunde weltweit voranzutreiben. Wissenschaft, Lehre und politisches Engagement sind zentrale Anliegen der ERS. Die ERS treibt wissenschaftliche Forschung voran und ermöglicht den Zugang zu hochwertigen Lehrangeboten. Eine wesentliche Aufgabe der ERS besteht zudem darin, das Bewusstsein der Öffentlichkeit und Politik für Lungenerkrankungen zu schärfen. www.ersnet.org
Über die ELF
Die European Lung Foundation (ELF, Europäische Lungenstiftung) wurde von der ERS gegründet, um Patientinnen und Patienten und die Öffentlichkeit mit Mitarbeitenden des Gesundheitswesens zusammenzubringen. Die ELF erstellt einfach verständliche Zusammenfassungen der Empfehlungen an europäisches medizinisches Fachpersonal und macht diese öffentlich zugänglich. Diese Texte enthalten keine ausführlichen Informationen und sollten daher nur zusammen mit anderen Patienteninformationen und dem persönlichen Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt genutzt werden. Mehr Informationen zu Lungenerkrankungen sind auf der ELF-Webseite zu finden: www.europeanlung.org